Slow Travel in den USA

Trends / Nachhaltigkeit
JAG IMAGES
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Rebecca Rom-Frank
März 29, 2022
Nachdem amerikanische Reisende es während der Pandemie langsamer angehen ließen, wollen sie nun wieder in einer langsameren Gangart reisen, und nicht nur eine Liste von Sehenswürdigkeiten abhaken1. Bei dieser neuen Art des Reisens, dem „Slow Travel“, geht es darum, sich Zeit zu nehmen, um die lokale Kultur und Natur zu erleben und eine tiefere persönliche Verbindung zu einem Ort zu entwickeln, wobei Nachhaltigkeit im Vordergrund steht. Die Idee von Slow Travel ist nicht neu: Denken Sie nur an Anthony Bourdains beliebte TV‑Reisesendungen, in denen er die Sehenswürdigkeiten auslässt und sich auf authentische Bräuche und Speisen stürzt. Viele Veranstalter stellen sich bereits auf diese neue Form des Reisens ein2. Die jüngste Buchveröffentlichung des Luxus‑Lifestylemagazins Kinfolk setzt auf schlichte, aber eindringliche Reiserouten.3 Während der gesamten Pandemie spiegelten die beliebten Bilder unserer Reisekunden bei Getty Images im Allgemeinen das amerikanische Reiseverhalten wider, und wir können bereits beobachten, wie beliebte Bilder die Idee von Slow Travel reflektieren.
Freude an der lokalen Kultur
Obwohl man eher vermuten würde, dass das Reisen wieder zu einem präpandemischen Zustand zurückfindet, sobald die Beschränkungen aufgehoben werden, hat eine Umfrage von Travel Pulse ergeben, dass 71 % der Amerikaner mit der Pandemie neue Reisegewohnheiten entwickelt haben. Mehr als die Hälfte hat festgestellt, dass sie nun lieber in der Region verreisen oder ihren Urlaub zu Hause verbringen4. Das Reisen, wie wir es kannten, hat sich verändert, aber es hat nie ganz aufgehört; Menschen haben vielmehr gelernt, Ausflüge in die nähere Umgebung oder sogar Tagesausflüge als lohnenswerte Reiseerlebnisse zu betrachten, was sich langsam in den stark nachgefragten Bildern widerspiegelt.

Unmittelbar vor der Pandemie war der internationale Reiseverkehr auf einem Allzeithoch – 2018 wurden weltweit 1,4 Milliarden Auslandsreisen unternommen –, inzwischen haben Auslandsreisen für Amerikaner die niedrigste Priorität, wie wir im Rahmen unserer VisualGPS Untersuchungen herausfinden konnten. Dementsprechend haben wir bei Getty Images von 2019 bis 2021 einen signifikanten Rückgang beliebter Bilder von Reisezielen wie Mexiko, der Karibik, Japan und vor allem Paris verzeichnet, während Bilder aus allen Teilen der USA, von der Westküste bis zur Golfküste, zunahmen. 2021 nahmen die Suchanfragen nach „Roadtrip“, „Autowäsche“ und „Heckklappe“ zu und die steigende Nachfrage nach Bildern von „Elektroautos“ (+ 111 %) deutet darauf hin, dass die aufkommenden nachhaltigen Technologien in die amerikanische Straßenkultur übergehen. Die Zunahme der regionalen Reisen hat auch dazu geführt, dass die Reise selbst und nicht nur das Ziel visuell in den Vordergrund gerückt wurde.

Gleichzeitig gab es weniger Darstellungen von Sehenswürdigkeiten, Kultur und Architektur, was darauf hindeutet, dass wir dazu neigen, Kultur mit „anderen“ Kulturen gleichzusetzen, obwohl die amerikanische Kultur in Wirklichkeit so vielfältig ist. Man würde es nicht vermuten, wenn man sich beliebte Bilder anschaut: Die meisten zeigen Flaggen, Football und Cowboyhüte, und die meisten abgebildeten Speisen sind Burger, Steaks oder Eiscreme. Unsere Untersuchungen im Rahmen von VisualGPS haben gezeigt, dass die Entdeckung neuer Kulturen für drei von fünf Amerikanern immer noch genauso wichtig ist wie vor der Pandemie. Das bedeutet, dass selbst visuelle Darstellungen von Reisen vor Ort die einzigartigen kulturellen Erfahrungen, die Reisende dort machen werden, wiedergeben sollten. Zum Konzept von Slow Travel gehört es, die Kultur vor der eigenen Haustür zu entdecken, was eine differenzierte Darstellung der amerikanischen Kultur erfordert.
Ausflüge ins Freie 
Da die Reisemöglichkeiten pandemiebedingt eingeschränkt waren, entdeckten viele amerikanische Reisende die Natur und Outdoor‑Aktivitäten vor der eigenen Haustür wieder, was sich in der visuellen Kultur durch den aufkommenden Modetrend „Gorpcore“ widergespiegelt hat5. So verzeichneten beispielsweise im Jahr 2020 trotz vorübergehender Schließungen 15 US‑Nationalparks neue Besucherrekorde, und die Zahl der Aktivitäten, die die Besucher in den Parks unternahmen, stieg sogar noch stärker an. Im Mai 2021 verzeichnete der Grand‑Teton‑Nationalpark 30 % mehr Besucher als im Mai 2019, die Nutzung der Wanderwege stieg um 70 %, das Campen um 93 % und das Campen im Gelände um 117 %6. Bei Getty Images ging die Zahl der bei unseren Reisekunden beliebten Bilder aus dem Bereich Natur insgesamt zurück, aber Bilder, die die Natur in den USA zeigen, nahmen zu. Ähnlich verhält es sich mit Bildern von Outdoor‑Aktivitäten, wobei diese in den USA um 81 % zunahmen. Während beliebte Reisebilder früher stark auf sofort erkennbare Wahrzeichen setzten, hat der Anstieg an Bildern von Kleinstädten und Natur und der Rückgang an Bildern großer Hauptstädte dazu geführt, dass bei Ausflügen in die Natur die Erfahrungen der Menschen an einem Ort stärker in den Vordergrund rücken, anstatt einfach nur das Ziel zu symbolisieren, worum es bei Slow Travel geht.
Achtsamer Tourismus für jeden Geldbeutel
Reisende aller Einkommensschichten sind heute wertbewusster und wollen, dass ihre Reisen sich positiv auf die von ihnen besuchten Gemeinden auswirken. Die einflussreiche Reisereportage „52 Places“ der New York Times aus dem Jahr 2022 konzentriert sich beispielsweise auf kleinere, ländlichere Orte, an denen Reisende den Massentourismus vermeiden und dem Ort helfen können, sich von der Pandemie zu erholen7. Unsere VisualGPS‑Studie bestätigt, dass 67 % der Amerikaner mit ihren Reisen den wirtschaftlichen Aufschwung unterstützen wollen und finden, dass sie mit ihren Einkäufen viel bewirken können. Obwohl die Anzahl der Bilder von Kleinunternehmen von 2019 bis 2021 um 73 % gestiegen ist, konzentrieren sich die meisten auf Fernarbeit und nur 11 % zeigen den Einzelhandel, was eine versäumte Chance darstellt, achtsame Reisende anzusprechen.

Selbst Luxusreisen werden immer mehr durch Werte und persönliche Neuausrichtung bestimmt. In den gängigen Bildern der Reisebranche werden Luxuserlebnisse immer noch eher durch typische Motive wie Champagner, Bademäntel, Service und eine hochwertige Innenausstattung dargestellt, während Bilder von nachhaltigem Luxus lediglich 1 % ausmachen. Allerdings sind viele umweltfreundliche Technologien derzeit nur denjenigen zugänglich, die über ein höheres Einkommen verfügen. Für die meisten Amerikaner sind die Kosten nach wie vor das größte Hindernis für die Umsetzung von Nachhaltigkeit, aber mehr als 77 % der Reisenden mit gehobenem Lebensstandard geben an, dass es wichtig ist, dass Marken im Reisebereich ihr Engagement für die Umwelt und andere soziale Belange zeigen. In Anbetracht der Tatsache, dass umweltbewusste, wohlhabende Millennials die Wiederaufnahme von Luxusreisen beschleunigen werden, wird Nachhaltigkeit zukünftig zu einem wichtigen Aspekt von Luxus werden.

Es ist kein Geheimnis, dass die Pandemie die Einkommensungleichheit in den USA verschärft hat8, und während Luxusreisende noch mehr Geld ausgeben können, wird ein größerer Teil der Bevölkerung bezahlbare Kurzurlaube in Betracht ziehen. Günstige Reisemöglichkeiten werden jedoch nur selten in den beliebten Darstellungen abgebildet. Bus‑ und Bahnreisen sind seit 2019 zurückgegangen, zweifelsohne aufgrund von coronabedingten Sicherheitsbedenken, aber in unseren Visual GPS Untersuchungen haben wir herausgefunden, dass vor allem klima‑ und preisbewusste junge Menschen wieder mit Bus und Bahn verreisen wollen. Das Schöne am Konzept von Slow Travel ist, dass es für Menschen aller Einkommensschichten zugänglich ist – ein wesentlicher Grund für seine zunehmende Attraktivität.
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