Die Fotografin Lydia Whitmore

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Lydia Whitmore
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Lauren Catten
Aug. 15, 2019
Lydia Whitmore ist eine Fotografin, die entspannt und souverän verschiedene Themen gleichzeitig bearbeitet. Als außergewöhnliche Set‑Designerin und unglaubliche Mitarbeiterin entwirft sie originelle Szenen, in denen sie ausdrucksstarke und farbenfrohe Formen zur Geltung kommen lässt.
Lydia und ich haben in den letzten Monaten an einer Serie gearbeitet, die die jugendliche Freude am Spiel in den Mittelpunkt rückt – vom Rummelplatz bis hin zu Taschenspielertricks. Die Ergebnisse sind ein wunderbares Zusammenspiel von Bekanntem und Überraschendem. Ich habe mit Lydia über ihren Prozess und ihre Arbeitspraktiken gesprochen.
[Lauren Catten]: Könntest du mir etwas über deinen Hintergrund erzählen?
[Lydia Whitmore]: Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einem entlegenen Teil von Sussex, und habe so bald ich konnte die Kunsthochschule in London besucht. Anschließend habe ich in einem Filmlabor gearbeitet und es dann irgendwie zur Assistentin eines Fotografen gebracht. Ich glaube, ich war mehr mit der Tatsache beschäftigt, dass ich eine fantastische Quiche mache (Teil des Jobs war jeden Tag zu kochen)!

[LC]: Welchen Einfluss haben Kunst und Fotografie auf deine Kompositionen?
[LW]: Ich habe an der Kunsthochschule Malerei studiert und dort seltsamerweise herausgefunden, dass es hinsichtlich der kreativen Herangehensweise ziemliche Parallelen zur Fotografie gibt. Dabei unterscheidet sich einzig die physische Art und Weise, ein wenig Akzent hier hinzuzufügen oder einen Schatten dort zu bewegen. Ich interessiere mich sehr für Matthew Barney und seine Herangehensweise an seine Arbeiten.

[LC]: Du bist ganz offensichtlich eine großartige Fotografin aber auch deine Set‑Designs sind faszinierend – ist das ein Aspekt des künstlerischen Prozesses, der dir besonders gefällt?
[LW]: Über die Jahre habe ich gelernt, nicht alles selbst zu versuchen und zu tun. Ich falle sehr leicht in die Haltung „wenn du etwas richtig umgesetzt haben möchtest, dann mach‘s eben selbst“ aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Zusammenarbeit mit anderen tatsächlich eine der stärksten Sachen ist, die man überhaupt machen kann – sich selbst und seine Ideen für die Meinung anderer zu öffnen.

[LC]: Was war dein bisher bestes Set?
[LW]: Ich hatte gerade erst ein redaktionelles Shooting mit der Set‑Designerin Jaina Minton, bei dem riesige Walkmans und Kassetten aus Papier eingesetzt wurden. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht und war etwas, das ich selbst niemals hätte umsetzen können.

[LC]: Ich mag es, wie du diese anderen Welten in deinen Arbeiten kreierst. Was hat dich dazu gebracht, in diese Richtung zu experimentieren?
[LW]: Ich bin in einer ziemlich entlegenen Gegend aufgewachsen. Ich glaube, ich habe schon von klein auf versucht, Fantasiewelten zu erschaffen. Die Wälder um mich herum haben mich inspiriert, aber auch die Horrorvideos, die mein Bruder heimlich mit nach Hause gebracht hat.
[LC]: Was würdest du als typisch Lydia bezeichnen?
[LW]: Ich glaube, ich hatte schon immer einen gleichbleibenden Stil, gegen den es sich nicht anzukämpfen lohnt, es sei denn, man will sich selbst verlieren. Ich neige dazu, Dinge ziemlich ausdrucksstark, strahlend und aggressiv wirken zu lassen. Ich habe versucht, weiblich und zart zu sein, aber das bin ich einfach nicht!

[LC]: Wie bist du in die Fotografie eingestiegen? Hast du mit Stillleben begonnen oder war das eher ein fließender Übergang, als du entdeckt hast, was du gerne fotografierst?
[LW]: Also, ich bin in die Fotografie eher so hineingestolpert, als ich eine Vollzeitstelle als Fotografen‑Assistentin angenommen habe. Ich hatte überhaupt keine technische Erfahrung, nur den erstaunlichen Glauben, dass ich das lernen würde. Als ich begriff, dass ich genau das tun wollte, fügten sich plötzlich alle Einzelteile zusammen und ergaben Sinn für mich.

[LC]: Kommen deine Ideen eher zufällig in Momenten, wenn du deine Arbeit niederlegst, oder gehst du methodisch vor?
[LW]: Ich schreibe alle meine Ideen in ein Notizbuch, das ich ständig ergänze. Wenn ich zwischen kommerziellen Jobs die Möglichkeit habe, schaue ich rein und finde heraus, was ich mit meiner Zeit, meinem Budget und meinem Material umsetzen kann.

[LC]: Was ist der wichtigste Fehler, den du beim Fotografieren gemacht hast, und wie hat er dein Verständnis von deinem Job verändert?
[LW]: Wenn ich mich an einen Job mache, weiß ich meistens, was dabei herauskommt, weil dem ganzen so viel Planung vorausgeht. Wenn ich auf Unsicherheiten stoße, setze ich normalerweise einen Testtag an, sodass ich jedes Problem antizipieren kann. Ich glaube, es gibt viele glückliche Unfälle in der Modefotografie und ich vermisse dieses Gefühl, so einen Moment einzufangen.

[LC]: Hast du bestimmte Themen oder Requisiten, die du gerne noch einmal aufgreifen möchtest?
[LW]: Es scheint so zu sein, dass ich in meinen eigenen Arbeiten immer wieder zu den gleichen Themen zurückkehre. Dazu gehören futuristische Science‑Fiction‑Landschaften und Altare, die an Menschenopfer‑Kulte erinnern.

[LC]: Was tust du, um dich täglich neu zu motivieren und voranzukommen? Lässt du dich von Zeitschriften an oder Webseiten inspirieren?
[LW]: Ich lasse mich am ehesten von Filmen inspirieren. Anderen Stillleben‑Fotografen in den sozialen Medien zu folgen, lässt bei mir eher ein Konkurrenzgefühl aufkommen anstatt mich kreativ zu inspirieren. Ich glaube, es ist hilfreich, sich außerhalb der eigenen Branche umzusehen. Für mich sind Horrorfilme total inspirierend!
[LC]: Gibt es ein Bild aus deinem eigenen Archiv, dessen Aufnahme du als herausfordernd in Erinnerung hast oder das sich im Vergleich zu den anderen besonders anfühlt?
[LW]: Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man plötzlich etwas auf den Punkt trifft und merkt, dass es sich um ein Bild handelt, das man für immer in seinem Portfolio haben wird. Genau so habe ich mich bei einem der letzten Shootings für Getty Images gefühlt!

[LC]: Was würdest du Menschen raten, die gerade dabei sind, professioneller Fotograf zu werden?
[LW]: Ich würde ihnen sagen, dass der beste Weg in die Branche der ist, so vielen Menschen wie möglich zu assistieren. Das ist noch dazu eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, ob man das auch wirklich tun will. Man bekommt ein richtig gutes Gefühl dafür, was der Job wirklich mit sich bringt. Es geht um viel mehr als nur um technisches Können.

[LC]: Hast du eine Lieblings‑App?
[LW]: Ich glaube, wir sind alle ziemlich eingenommen von Instagram, aber ich versuche, mein Telefon so selten wie möglich in die Hand zu nehmen. Andererseits mag ich Exhibitionary, eine App, mit der ich Ausstellungen und Vernissagen finden kann – großartig!

[LC]: Welche Musik hörst du gerade?
[LW]: Es gibt da gerade ein paar fantastische, von Cosmic Jazz inspirierte Künstler wie Kamasi Washington, Shabazz Palaces und Flying Lotus.

[LC]: Was siehst du, wenn du aus deinem Fenster schaust?
[LW]: Ich schaue direkt auf die Zuggleise der Haggerston Station in London und versuche, die Rollos zuzulassen, weil gelangweilte Pendler oft einfach so herumstehen und mich anstarren!

[LC]: Welches Projekt steht als nächstes an?
[LW]: Ich arbeite mit einem Freund gerade an einem Horror‑Kurzfilm. Wir kehren beide immer wieder zu diesem Thema zurück; hoffentlich knacken wir es an einem der nächsten Tage!
Der Fotograf Yixun Sun