Der technikaffine Tourist

Trends / Technologie
Anna Dobos
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Rebecca Rom-Frank
Apr. 22, 2022
Während das Reisen pandemiebedingt praktisch auf Eis lag, hat sich die Abhängigkeit der Amerikaner von der Technologie noch verstärkt, und das gilt auch für die Reisebranche. Laut Pew Research nutzen 40 % der Amerikaner das Internet oder digitale Technologien auf eine neue Art und Weise1, und auch Buchungswebseiten und Gastronomiebetriebe reagieren darauf mit zuverlässigeren Lösungen – von Reinigungsrobotern über kontaktlose Zahlungen und Check‑ins bis hin zu einer einnehmenderen Online‑Planung.2 Natürlich möchten Reise‑ und Gastronomieunternehmen ihr erweitertes digitales Angebot mit Bildern präsentieren, die den technikaffinen Touristen ansprechen.
Der Einfluss der Technologie auf unser Reiseverhalten
Bei Getty Images ist das bloße Vorhandensein von technischen Geräten zum Symbol für technologische Kompetenz geworden. So wählten unsere Kunden aus der Reisebranche während der Pandemie 16 % mehr Bilder mit technischen Geräten, vor allem mit Smartphones (+ 23 %) und Laptops (+ 55 %). Aber es gibt auch zahlreiche Möglichkeiten, wie Menschen mithilfe von Technologie ihre Reisen angenehmer gestalten können: GPS‑Mapping, mobiler Ticketverkauf, Check‑in‑Schalter an Flughäfen, Apps für Mitfahrgelegenheiten oder einfach nur zum Zeitvertreib während eines langen Flugs, einer Autofahrt oder einer Zugreise.

Die jüngsten Bildtests im Rahmen unserer VisualGPS Untersuchungen haben gezeigt, dass der Kontext hier ausschlaggebend ist: Die Amerikaner sind weniger begeistert von Bildern, die einfach nur zeigen, wie eine Person zu Hause am Laptop arbeitet. Vielmehr bevorzugen sie Bilder, die zeigen, wie jemand aus einem Wohnmobil in einer traumhaften Naturlandschaft an einer Videokonferenz teilnimmt. Abgesehen von der Begeisterung für hybrides Arbeiten belegt dies, dass die Verbraucher sehen wollen, welchen Einfluss die Technologie auf unsere heutige Art zu reisen hat. Die Pandemie hat nicht nur mehr Technologie in unser Leben gebracht, sondern auch einen Wandel in vielen Aspekten des Reisens herbeigeführt. Die Verbraucher wollen dies auch sehen.
Interaktive Reiseplanung
Reisende planen mehr denn je im Voraus, und technikaffine Reisende werden sich mit Sicherheit online inspirieren lassen: Die Amerikaner lesen inzwischen gerne Kundenbewertungen, scrollen durch Urlaubsbilder in Social Media und sehen sich persönliche Reiseberichte auf YouTube an. Studien zeigen, dass 83 % der Erwachsenen in den USA ihre Reisen lieber online buchen und 70 % aller Reisenden weltweit ihre Reiseziele über ihr Smartphone recherchieren3. Das bedeutet, dass visuelle Darstellungen authentischer, persönlicher und eindringlicher sein sollten als je zuvor, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf digitalen Plattformen zu gewinnen.

Die Kunden von Getty Images aus der Tourismusbranche haben auf diesen Wandel reagiert und zwischen 2019 und 2021 doppelt so viele Videos heruntergeladen. Die meisten zeigten sinnliche Momente wie das Einsinken in ein weiches Hotelbett, das Spüren der Meeresbrise im Gesicht oder das Einschenken eines Martinis in Zeitlupe. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Virtual Reality oder das Metaverse in absehbarer Zeit das tatsächliche Reisen ablösen werden, so gab doch mehr als ein Drittel der amerikanischen Reisenden an, dass sie diese Möglichkeiten gerne nutzen würden, um sich einen Eindruck von einem Reiseziel zu verschaffen.4 Einige Tourismusverbände arbeiten bereits an der Entwicklung dieser Technologie5, und Xbox hat sogar eine digitale Tourismusplattform entwickelt, die Menschen bei der Planung von Reiserouten auf der Grundlage ihrer Lieblingsvideospiele unterstützt.6 Um also die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sollte man berücksichtigen, dass visuelle Darstellungen, die technologiebezogene Szenarien zeigen, zwar beliebt sind, dass aber auch die Technologie selbst eine Rolle dabei spielt, wie die Verbraucher diese Darstellungen sehen werden. 
Fotos von Menschen, die Fotos machen
Selbstreflektierende Abbildungen von Menschen, die Smartphone‑Fotos und Selfies machen, sind bei unseren Kunden aus der Reisebranche nach wie vor sehr beliebt. Da heute fast jeder eine Kamera bei sich hat, könnten wir genauso gut Touristen unseres Alltags sein. Die Fotografie ist ein Markenzeichen des modernen Tourismus; Ansichtskarten dienen seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Souvenirs, und das Klischee des Touristen mit einer eigenen Kamera kam mit dem internationalen Reiseboom in den 1950er Jahren auf.7 Unsere Visual‑GPS‑Studie bestätigt zwar, dass US‑Konsumenten eine starke Vorliebe für offenes Bildmaterial haben, aber Bildmaterial, das den Akt des Fotografierens darstellt, ist etwas ganz anderes.

Einige Reiseunternehmen haben sich die Fotografie selbst als Thema zunutze gemacht: Als beispielsweise während der Pandemie das Posten von Urlaubsfotos in den sozialen Medien tabu war, brachte Airbnb eine Videowerbung heraus, die Bilder aus einem Fotoalbum zeigte und damit nostalgische Gefühle weckte8. Auch wenn wir vielleicht mehr Fotos machen, als wir je teilen könnten9, geht es bei dem Impuls zu fotografieren doch auch darum, Erinnerungen festzuhalten. Daher können Bilder, die zeigen, wie Fotos in Verbindung mit echten, emotionalen Momenten des Entdeckens, der Verbundenheit, der Liebe oder der Freude gemacht werden, sehr eindrucksvoll sein, solange wir erkennen können, warum dieser Moment es wert war, festgehalten zu werden.
Quellen
[1] Pew Research
[2] Revfine
[3] Condor Ferries
[4] Booking.com
[5] HVS
[6] Rough Guides
[7] Susan Sontag, On Photography
[8] Airbnb
[9] The Conversation
#KeinFilter: "Echte" Authentizität und Social Media