Menschen asiatischer Herkunft in Deutschland

Trends / Echtheit
golero
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Carolina Sampaio Lechner
Aug. 3, 2022
Stellen Sie sich eine schlanke Frau von etwa 35 Jahren vor, die in einem Unternehmen als Teil eines Teams unterschiedlicher ethnischer Herkunft arbeitet. Ein typisches Motiv, das sich in den beliebtesten Bildern unserer deutschen Kunden wiederfindet, die asiatische Menschen zeigen. Dieses Bild gibt allerdings nicht die ganze, differenzierte Realität der über fünf Millionen Menschen asiatischer Herkunft wieder, die heute in Deutschland leben, einschließlich derer, die als Deutsche eingebürgert wurden. Mit fünf Millionen Menschen macht dies 23 % aller Menschen mit internationalem Hintergrund und 6,2 % der deutschen Gesamtbevölkerung aus. Die meisten davon, 4 von 10 dieser Menschen, kommen aus Westasien, der geografischen Region, zu der der Irak, der Iran, Libanon, Syrien und Afghanistan gehören. 2 von 10 Menschen asiatischer Herkunft in Deutschland kommen heute aus süd‑ und ostasiatischen Ländern wie China, Thailand, Vietnam, Indien und Pakistan.1

Der Ausbruch der Corona‑Pandemie 2020 hat die Diskriminierung von ostasiatisch gelesenen Menschen ans Licht gebracht und verstärkt, obwohl es antiasiatischen Rassismus in Deutschland nicht erst seit den letzten zwei Jahren gibt.2 Menschen asiatischer Herkunft in Deutschland haben in den sozialen Medien mit dem Hashtag #ichbinkeinvirus auf ihre Diskriminierung aufmerksam gemacht, angelehnt an den englischen Hashtag #iamnotavirus oder den französischen #jenesuispasunvirus.3 Tatsächlich meldete die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bis April 2020 über 100 Fälle von Diskriminierung gegenüber asiatisch gelesenen Menschen, darunter verbale und körperliche Angriffe oder die Verweigerung des Zutritts zu Supermärkten oder Arztpraxen.4 Die Organisation und das Netzwerk für asiatisch‑deutsche Perspektiven korientation zeigt, wie visuelle Stereotype in der Medienberichterstattung über Covid19 reproduziert werden und antiasiatischen Hass schüren.5 Gleichzeitig werden ihre Rassismuserfahrungen durch die seit langem bestehende Vorstellung von den „fleißigen Vorzeigemigrantinnen und ‑migranten“ verdrängt.6

Wenn es um Menschen aus dem westasiatischen Raum geht, ändert sich der Kontext. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass Menschen westasiatischer Herkunft in Deutschland eher mit dem Islam als mit einer geografischen Region in Verbindung gebracht werden.2 Die Erfahrungen von Rassismus und Diskriminierung bleiben jedoch bestehen und nehmen Ausmaße an wie bei dem rassistisch motivierten und tödlichen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020. Organisationen wie CLAIM, Allianz gegen Islam‑ und Muslimfeindlichkeit, setzen sich gegen islamfeindliche Aktivitäten ein.7 Mit dem Slogan „Hans mit Bart ist hip, Hamza mit Bart verdächtig – echt jetzt?„ machten sie anlässlich des Internationalen Tages gegen Islamfeindlichkeit8 darauf aufmerksam, wie Rassismus in Bildklischees reproduziert wird. Eine Gruppe deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler mit internationaler Geschichte, die von der afghanischen Aktivistin und ehemaligen Moderatorin Wana Limar in Zusammenarbeit mit MTV ins Leben gerufen wurde, prangerte die im deutschen Film reproduzierten Stereotype an.9 Mit den Hashtags #meinerolleimdeutschenfilm und #keinrassismusproduzieren machten sie auf die Stereotype aufmerksam, die Menschen mit internationalem Hintergrund in deutschen Filmen sehen, wie etwa die „unterdrückte Hijab‑tragende muslimische Nachbarin“.

Wie aus den obigen Beispielen hervorgeht, sind Stereotype und bestimmte visuelle Muster in der aktuellen Darstellung Menschen asiatischer Herkunft in Deutschland vorherrschend. Wie können wir ein ständiges Wiederholen dieser Stereotype vermeiden? Lassen Sie uns das mal genauer unter die Lupe nehmen.

Mehr als nur das Bild eines „Teamplayers“
Die meisten der beliebten Bilder, die Menschen asiatischer Herkunft zeigen, zeigen sie in einem geschäftlichen Zusammenhang. Sie werden oft als kooperative Teamkollegen gezeigt, die von einer ethnisch heterogenen Gruppe von Kollegen umgeben sind. Sie werden aber nur selten in einer Führungsrolle dargestellt. Ein ähnliches Muster gilt für Menschen westasiatischer Herkunft; hinzu kommt, dass weniger als 10 % der Businessbilder westasiatische Frauen zeigen, die einen Hijab tragen. Eine in Deutschland durchgeführte und im American Journal of Political Science veröffentlichte Studie ergab, dass Frauen, die einen Hijab tragen, systematisch diskriminiert werden10, dies gilt auch am Arbeitsplatz, wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes feststellt.11 Wenn Sie also Menschen asiatischer Herkunft am Arbeitsplatz darstellen, denken Sie an das Umfeld und die Berufe, die Sie dort vorgeben. Betrachten Sie eine Vielzahl von Arbeitsszenarien, Menschen und Rollen, z. B. Menschen asiatischer Herkunft in Führungspositionen oder als Kleinunternehmerinnen und Kleinunternehmer.
Authentische Geschichten erzählen
Beim visuellen Storytelling lohnt es sich auch, über das Arbeitsumfeld hinauszugehen. Infolge der überwiegenden Darstellung von Menschen asiatischer Herkunft in Arbeitsszenarien kommen Familienszenarien in den gängigen visuellen Darstellungen nicht vor. Die meisten Menschen asiatischen Ursprungs leben in Deutschland bei ihren Familien11, aber weniger als 10 % der gängigen Bilder, die Menschen asiatischer Herkunft zeigen, zeigen sie im Kreise ihrer Familien. Überlegen Sie, ob die Bilder, die Menschen asiatischer Herkunft zeigen, authentische, aus dem Alltag gegriffene Geschichten erzählen. Gehören dazu auch wichtige Beziehungen zu Freunden und Familie? Werden Beziehungen und Zusammenarbeit, die über das Arbeitsumfeld hinausgehen, auch visuell dargestellt?

Zurzeit ist es für Ostasiaten siebenmal wahrscheinlicher und für Westasiaten nahezu fünfmal wahrscheinlicher, dass sie in gängigen visuellen Darstellungen in einem beruflichen Kontext zu sehen sind als in der Freizeit. Und wenn sie in der Freizeit gezeigt werden, entsprechen die Bilder nicht den tatsächlichen Interessen oder Hobbys. Dafür wiederholt sich das übliche Muster von beruflichen Situationen außerhalb der Arbeit und zeigt sie meist als Teil einer heterogenen Gruppe von Freunden, die in die Kamera lächeln. Denken Sie darüber nach, wie Sie in Bildern vielseitige Menschen zeigen können, die ihren Hobbys nachgehen und ihre Interessen zum Ausdruck bringen. Zeigen Sie sie auch in Situationen, die sich um Sport, Freizeit und Reisen drehen.
Verschiedene Identitätsschichten berücksichtigen
Realistisches und authentisches visuelles Storytelling bezieht sich nicht nur darauf, wie und wo Menschen  asiatischer Herkunft gezeigt werden, sondern auch darauf, wer abgebildet wird. In gängigen visuellen Darstellungen fehlt oft eine intersektionale Darstellung von Identitätsfaktoren. Fast 7 von 10 Deutschen erwarten von den Unternehmen, deren Produkte sie kaufen, dass sie Diversity in all ihren Formen fördern, aber die Marken bleiben hinter diesen Erwartungen zurück. Nur 14 % der Deutschen finden, dass Werbung viel Diversity zeigt, und nur 1 von 10 sagt, dass die Kommunikation der Unternehmen, deren Produkte sie kaufen, sehr divers ist.

Wenn es um die intersektionale Darstellung Menschen  asiatischer Herkunft geht, folgen die gängigen Bilder in Deutschland einem ähnlichen Muster wie dem oben beschriebenen. Die LGBTQIA+ Community ist nicht repräsentiert und nur sehr wenige Bilder zeigen Menschen asiatischer Herkunft mit fülligerem Körper. Auch werden keine West‑ oder südasiatische Menschen mit Behinderung repräsentiert. Nur sehr wenige Bilder zeigen Menschen aus dem ostasiatischen Raum mit Behinderung.

Und auch die Altersgruppen sind ähnlich eindimensional vertreten. Die meisten Menschen asiatischer Herkunft in gängigen Bildern sind junge bis mittelalte Erwachsene, weniger als 10 % zeigen Kinder oder Teenager. Weniger als 2 % zeigen ältere ost‑ oder südasiatische Menschen; ältere westasiatische Menschen sind in weniger als 10 % der Bilder vertreten.
Wenn Sie Menschen asiatischer Herkunft in Ihren Bildern zeigen, sollten Sie darüber nachdenken, wer zu sehen sein soll. Berücksichtigen Sie, dass die Identität der Menschen vielschichtiger wird, indem Sie zeigen, wie sich verschiedene Identitätsfaktoren mit der asiatischen Herkunft überschneiden.
Quellen:
[1] Mikrozensus 2021; Erstergebnisse (Statistisches Bundesamt)
[2]  Antiasiatischer Rassismus in Deutschland (bpb)  
[3] #ichbinkeinvirus 
[4]  Diskriminierungserfahrungen im Zusammenhang mit der Corona‑Krise (Antidiskriminierungsstelle des Bundes / Federal Anti‑Discrimination Agency)
[5]  Rassismus in der COVID‑19‑Berichterstattung (korientation)
[6]  Factsheet Anti‑asiatischer Rassismus in der Corona‑Zeit (Mediendienst Integration)
[7]  CLAIM Allianz gegen Islam‑ und Muslimfeindlichkeit (CLAIM)
[8]  Allianz gegen Hass 
[9]  Stereotypen im Deutschen Fernsehen und dessen Auswirkungen (MTV) and #meinerolleimdeutschenfilm 
[10]  "Systematisch anders behandelt" (Süddeutsche Zeitung)
[11]  Kopftuch am Arbeitsplatz (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
Hybrides Arbeiten setzt sich durch